Am 12. November 1938 wurde sie erlassen, am 31. Dezember 1938 trat sie in Kraft, die „Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben“. Nur wenige Tage nach dem Pogrom mit mehreren hundert Toten und der Niederbrennung der deutschen Synagogen wurde die wirtschaftliche Existenz vieler Juden endgültig vernichtet. Ausdrückliche Erwähnung fand in der Verordnung, dass Juden „nicht Mitglied einer Genossenschaft sein“ können.

Ihre Mitgliedschaft endete zum 31. Dezember 1938, ohne dass es einer Kündigung bedurfte. Für die Mitglieder von Kreditgenossenschaften bedeutete das den Verlust der Bankverbindung, Mitglieder von Wohnungsbaugenossenschaften mussten ihre Genossenschaftswohnung räumen.
Der Genossenschaftsverband von Norddeutschland e.V. berichtete auf dem 72. Verbandstag 1938: „Eine Rundfrage hat ergeben, dass unter 21.450 Mitgliedern bei Kreditgenossenschaften 34 Nichtarier und unter 2.967 Mitgliedern von Warengenossenschaften 7 Nichtarier waren. Von diesen 41 Nichtariern wohnen 23 in einer Stadt, 18 gehören einer Kreditgenossenschaft und 5 einer Warengenossenschaft an, eine andere Genossenschaft hat 8 Juden, die übrigen verteilen sich auf 6 weitere Genossenschaften.
Nach 1933 hat nur noch eine Genossenschaft jüdische Mitglieder neu aufgenommen. Es sind bei den Genossenschaften, die noch Juden zu ihren Mitgliedern zählen, Bestrebungen im Gange die Verbindung mit diesen zu lösen, sodass nach Ablauf der Kündigungsfrist, das ist in zwei Jahren, unsere Genossenschaften völlig Juden frei dastehen werden.“ Weiterer Anstrengungen Seitens des Genossenschaftsverbands, an dessen Spitze seit dem 3. November 1938 der Hamburger Nationalsozialist und NS-Staatsrat Christian Bartholatus stand, bedurfte es nicht mehr.

Ob allerdings die verbreiteten Zahlen zutreffend waren, muss bezweifelt werden. Allein die im Verband organisierte Kreditgenossenschaft Hamburger Bank von 1926 eGmbH hatte mindestens sechs jüdische Mitglieder, die zum 31. Dezember 1938 ausgeschlossen wurden oder deren Mitgliedschaft zur Aufkündigung kam. Vermutlich gab es noch einige weitere. Zu den Ausgeschlossenen gehörte der Grundstücksverwalter Edgar Hirsch, der erst im Juli 1937 Mitglied der Genossenschaft geworden war. Dazu Dr. Holger Martens, Vorstand der Historiker-Genossenschaft eG: „Möglich ist, dass sich der Bericht genau auf die einzige bisher untersuchte Kreditgenossenschaft bezog. Ich gehe aber eher davon aus, dass die Zahlen unvollständig sind und dass es deutlich mehr jüdische Mitglieder in den Genossenschaften gab. Mit unserer Aktion Stolpersteine für Genossenschaftler wollen wir auf den Ausschluss und das Schicksal jüdischer Genossenschaftsmitglieder aufmerksam machen.“
Die Genossenschaftsmitglieder der Hamburger Bank von 1926 Edgar Hirsch, Walter Lazarus, Jacob Lübeck und Siegmund Jacobsen wurden deportiert und ermordet. Sie haben bereits einen Stolperstein erhalten, die Genossenschaftsmitgliedschaft wird allerdings bisher nicht erwähnt. Isidor Fischbein trat am 2. Dezember 1930 der Kreditgenossenschaft bei. Seine Mitgliedschaft endete durch Aufkündigung zum 31. Dezember 1938.
Über das Schicksal des Juweliers, der an der Grindelallee 85 ein Geschäft betrieb und in der Bornstraße 28 wohnte, ist bisher nichts bekannt. Die bereits 60-jährige Witwe Jettchen Salomon konnte ins Ausland fliehen. Die Hamburger Bank von 1926 hatte nachweislich weitere jüdische Mitglieder, die zum Teil schon vor 1938 aus nicht näher bekannten Gründen ausgeschlossen wurden, dazu gehörten der im Versicherungsgeschäft tätige Salo Jacobsen, der Textilkaufmann Alfred London und der Kaufmann Max Würzburg. Dazu Dr. Holger Martens: „85 Jahre nach Erlass der Verordnung gibt es keine wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse darüber, wie viele jüdische Genossenschaftsmitglieder es 1933 gab und wie viele 1938 ausgeschlossen wurden.
Bisher sind nur einige wenige Einzelschicksale bekannt.

Das wollen wir ändern.“ Wer die Aktion „Stolpersteine für Genossenschaftler“ unterstützen möchte, kann sich wenden an: Dr. Holger Martens, Vorstand, Historiker-Genossenschaft eG, E-Mail

Vor 85 Jahren: Ausschluss jüdischer Genossenschaftsmitglieder – ein unerforschtes Kapitel

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